Schreibtisch des Autors

Foto: Hartmut Becker

Mitten in der Arbeit: Ein Blick auf den Schreibtisch des Schriftstellers Gregorio Ortega Coto

„Ich denke nicht an Geld, ich denke eher an wenig Geld“

Sein erster Kurzgeschichtenband „Untaugliche Indianer“ erschien 2005 und erzählte Geschichten von Menschen und ihrem Leben. Von katholischer Kindheit in Spanien und Liebesverwicklungen in der Großstadt.

Seine Helden sind manchmal tragisch, aber nie klischeehaft. Darauf, dass in seinen Geschichten das Leben schwuler Männer beschrieben wird, möchte Gregorio Ortega Coto sein Schreiben aber nicht reduziert wissen. Derzeit schreibt er an einem Roman. Sein Kinderbuch "Tufans Murmeln" hat er gerade fertig gestellt. Es ist dreisprachig (deutsch, spanisch, türkisch) und auch die Illustrationen stammen von ihm. Er bietet Lesungen daraus für Kindergärten und Schulen an. 1946 wurde Gregorio Ortega Coto in Marokko geboren, wuchs ab dem zwölften Lebensjahr in Spanien auf und lebt seit 1972 in Berlin. Er wohnt in Schöneberg.

 

Gregorio, wusstest du schon als Kind, dass du Schriftsteller werden willst?

Als Kind wusste ich, dass ich kreativ sein will. Ich habe zum Beispiel gerne gebastelt. Es hat mich interessiert, etwas herzustellen, etwas zu schaffen. In meiner Jugend habe ich, wie viele junge Menschen, Gedichte geschrieben. Ich habe immer gerne gezeichnet und gemalt. Mit dem Schreiben habe ich begonnen, da war ich schon älter.

Du hast als Sozialarbeiter gearbeitet.

Ja, ich habe Vollzeit als Sozialarbeiter gearbeitet. Ich kam von der Arbeit und habe geschrieben. Das war eine Art Zuflucht. Als ich anfing, war ich sehr unsicher, habe viel darüber nachgedacht, ob es gut ist, was ich schreibe. Ist das Literatur? Werden es andere Leute gerne lesen? Ich wollte schon auch nach außen gehen mit meinem Schreiben. Ich hatte das Gefühl, dass ich etwas zu erzählen habe. Und ein Erzähler braucht Zuhörer oder Leser. Es steckt ja auch der Wunsch dahinter, die eigene Fantasie zu entdecken, sie weiter zu geben und sogar bei anderen Fantasien zu wecken.

Wie bist du dann nach außen gegangen mit deinen Geschichten?

Ich habe Erzählungen an Verlage geschickt und an Wettbewerben teilgenommen. Erst einmal war das eine einzige Bestätigung für meine Unsicherheit. Zuerst kamen nur Absagen. Das muss man auch verkraften. Man verkraftet es übrigens besser, wenn man unsicher ist. Man erwartet dann nicht soviel. Ich kann aber auch sehr hartnäckig sein. Wenn ich etwas versuche, gebe ich nicht so schnell auf.

Wie hast du deine Arbeit als Sozialarbeiter und das Schreiben unter einen Hut gebracht?

Ich denke, mein Bedürfnis zu erzählen, war immer sehr groß. Ich habe zum Beispiel mit obdachlosen Menschen gearbeitet, was manchmal auch belastend war. Es war aber nicht so, dass ich über meine Arbeit schreiben wollte. Die Kurzgeschichten, die ich schrieb, waren ein guter Ausgleich. Ich konnte abtauchen in eine andere Welt.

Und wann kam dann der Verlag ins Spiel?

Es hat lange, gedauert bis mein jetziger Verlag auf mich zu kam und der Verleger mir schrieb, er habe Interesse und wolle sich mit mir treffen. Wir haben uns in einem Café in Schöneberg getroffen. Ich war nervös, aber dann habe ich gemerkt, dass das Interesse an meinen Erzählungen echt war. Das war eine schöne Bestätigung. Es hat mir sehr geholfen, dass jemand an mich geglaubt und mir bestätigt hat, dass das, was ich schreibe, Literatur und nicht etwa Trivialliteratur oder ähnliches ist. Das hat gut getan.

Hattest du die Hoffnung, dass du mit dem Verlagsvertrag viel Geld verdienen wirst und du dann nur noch vom Schreiben leben kannst?

Ich denke nicht an Geld, ich denke eher an wenig Geld! (lacht) Ich wollte veröffentlichen und gelesen werden. Für meinen Lebensunterhalt hatte ich ja meine Arbeitsstelle. Außerdem hätte ich zum Beispiel nein gesagt, wenn der Verleger gesagt hätte, ich müsse ganz viel ändern an meinen Geschichten. Schreiben ist für mich vor allem auch ein Freiraum. Ich will nicht anders schreiben, nur damit andere damit zufrieden sind. Dazu kommt, dass Kurzgeschichten in Deutschland nicht viel gelesen werden, anders als in Spanien oder in Amerika, wo Kurzgeschichten oder Short Stories eine anerkannte literarische Form sind. In Deutschland zählt vor allem der Roman als Literaturform. Ich bin aber kein Romancier, ich bin ein Erzähler.

Trotzdem schreibst du jetzt einen Roman …

Der Vorschlag kam von meinem Verlag. Ich muss auch sagen, der Vorteil ist natürlich, dass je mehr ich schreibe, desto besser werde ich, desto leichter fällt es mir. Ich schreibe auf Deutsch und bin beim Schreiben von jeder Menge Rechtschreibduden umgeben.

Welche Reaktionen hast du auf deinen Erzählband bekommen?

Es gab einige Rezensionen und direkte Meldungen von Lesern. Das war natürlich sehr interessant. Ich habe aber gemerkt, dass jeder das Buch gefiltert durch seine eigenen Erfahrungen liest. Wichtig für mich ist, meinen eigenen inneren Zensor zu überwinden und zu schreiben, ohne immer daran zu denken, was wohl andere dazu sagen werden.

Nun bist du seit einem Jahr in Rente. Wie hat sich das ausgewirkt auf dein Schreiben?

Die Berentung bringt mich praktisch wieder zurück in die Situation, in der ich mich auch als Kind befand. Ich kam erst mit acht Jahren in die Schule, weil ich mich vorher geweigert hatte, dorthin zu gehen. Ich bin immer weggelaufen. Vor der Einschulung war ich immer sehr interessiert und kreativ. Ich habe draußen gespielt und ich konnte mich gut alleine beschäftigen. Das ist wichtig, denn Schreiben ist auch eine einsame Tätigkeit. Das muss man aushalten können. Als Kind hatte ich weniger Verpflichtungen, und jetzt fühle ich mich auch wieder freier und mit weniger Verpflichtungen belastet. Mein Kopf ist freier.


Das Interview führte Isolde Peter

Stadtteilzeitung Schöneberg Nr. 97 (Dezember 2012 / Januar 2013), Berlin,
Zeitung für bürgerschaftliches Engagement und Stadtteilkultur
 

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